Windelfrei – Müllvermeidung mit kleinen Kindern

In grauer Vorzeit, als es noch keine superstarksaugfähigen Wegwerfwindeln gab, wurden Kinder abgehalten. Eltern von heute hören sich mit Schaudern die Erzählungen ihrer Eltern an, in denen sie rabiat auf Töpfchen oder Toilette gesetzt und festgehalten wurden, bis das Geschäft passierte. Warum waren die Eltern da so knallhart? Weil sie mit Stoffeinlagen und Moltontüchern und Wollüberhosen wickeln mussten, die gewaschen, getrocknet und gebügelt werden mussten. Bergeweise Wäsche. Kein Wunder, dass die Elterngeneration ihre Kinder, sobald diese sitzen konnten, auf den Thron gesetzt haben, um wenigstens ein paar Windeln am Tag zu sparen.

Wie wunderbar, dass die heutigen Eltern sich und ihren Kindern diesen Stress nicht mehr antun müssen. Das Kind bekommt innerhalb von Sekunden eine frische Windel um den Popo geklebt, Überreste werden mit dem Feuchttuch blitzschnell weggewischt und benutzte Windel und Feuchttuch landen im besten Fall im Hausmüll, im schlimmsten Fall in der Natur. Oder in der Ecke im Restaurant. Oder im Sand vom Spielplatz. Ihr wisst, was ich meine.

Das war nichts für mich, das stand für mich von Anfang an fest. Die einschüchternden Geschichten über die armen Kinder, die auf dem Töpfchen sitzen bleiben mussten, bis ihr Geschäft erledigt war, mochte ich aber auch nicht. Es musste doch eine Zwischenweg geben, wie ich harmonisch und in Zusammenarbeit mit meinem Kind das lästige Wickeln reduzieren und gleichzeitig Müllberge vermeiden konnte. Eher zufällig bin ich dann während meiner ersten Schwangerschaft auf das Konzept von „windelfrei“ oder auch „Teilzeit-Windelfrei“ gestoßen. Das möchte ich im Folgenden erklären.

Ganz unten gibt es einen Link, wo ihr genaue Pläne und Erklärungen findet, wie „windelfrei“ oder „Teilzeit-windelfrei“ (Ergänzung mit Windelhosen u.ä.) funktioniert.

Was bedeutet windelfrei?

Windelfrei bedeutet nicht, dass die Babys keine Windel tragen. Sie tragen eine Windel oder eine Art Hose oder Unterwäsche, die aber eher als Sicherheit gedacht ist, da das Kind sein Geschäft in ein Töpfchen/Toilette/Schüssel erledigen soll. Das Kind erleichtert sich also ohne Windel, trägt aber dazwischen eine. Wie das geht?

Die Idee ist denkbar einfach. Wie alle Säugetiere signalisieren auch Menschenbabys, wenn sie mal müssen. Manche quengeln, andere zucken auf typische Art und Weise mit den Beinen. Daraufhin nimmt die Mutter oder eine andere Bezugsperson, die dieses Verhalten zu deuten weiß, das Baby und hält es über eine passende Schüssel, eine Toilette oder einen Flecken Erde, das Kind erleichtert sich, niemand wird beschmutzt – das Kind wird abgehalten. Dieses Verhalten des Signalisierens ist bis zum Ende der ersten drei Lebensmonate zu beobachten. Wird darauf nicht entsprechend mit dem Abhalten reagiert, verlernen die Babys das Signalisieren und machen ihr Geschäft in die Windel. Im Alter von 1-3 Jahren müssen die Eltern ihren Kindern das Trockenwerden wieder mühsam angewöhnen.

Das fand ich einleuchtend! Das wollte ich auch! Was für ein tolles, eingängiges und logisches Konzept! Für mich stand fest, das mache ich mit meinen Kindern.

Und dann kam das erste Kind. Da ich aber als unerfahrene Erstmutti und gesundheitlich angeschlagen nach einer schlimmen Schwangerschaft und einer noch schlimmeren Geburt, weder den Nerv noch die Energie dafür hatte, das Kind so genau zu beobachten und alle halbe Stunde auszuziehen und über eine Schüssel zu halten, wurde nach den ersten drei Monaten mit Wegwerfwindeln in Stoffwindeln gewickelt, es sei denn, wir waren unterwegs oder im Urlaub ohne Waschmöglichkeit, da gab es Wegwerfwindeln.

Bei Kind Nr.2 habe ich mich eingehender schon in der Schwangerschaft mit dem Konzept des Abhaltens befasst, einfach, weil das Spülen, Waschen, Aufhängen und Falten der Windeln von zwei Kindern so zeitaufwändig war und ich es sparsamer und unkomplizierter fand, die Ausscheidungen des Kindes einfach in einer Schüssel aufzufangen und in die Toilette entsorgen zu können. Im folgenden Abschnitt beschreibe ich, wie ich genau vorgegangen bin.

Vorgehen:

Als Kind Nr. 2 ungefähr zehn Wochen alt war, habe ich mit dem Abhalten begonnen.

Am Anfang habe ich das Kind auf den Wickeltisch auf eine wasserdichte Unterlage gelegt, mit ihm gespielt (Krabbelverse, ihr wisst schon), gewartet, wann es Pipi macht und wie es dabei aussieht und während des Vorgangs ein Schlüsselwort etabliert (Lulululu!). Das fand das Kind super und hat es auch sehr schnell verstanden. Irgendwann konnte ich dann morgens nach dem Aufwachen das Kind nehmen, schnell! ausziehen, über eine Schüssel halten und Lululu sagen und dann lief es auch schon. Und das Kind hat mich dabei angestrahlt und sich gefreut, weil wir so schön miteinander kommuniziert haben. 🙂

Ungefähr die Hälfte aller Geschäfte landen durchschnittlich in dem Schüsselchen, die andere Hälfte in der Windel. Mit diesem Schnitt kann ich leben.

Probleme:

Sowohl für mich als auch für das Kind war es irgendwann auch nervig, ständig abzuhalten. Ein Nachteil war auch, dass das Kind, da es eine nasse Stoffwindel nicht gewöhnt war, immer sehr gemeckert hat, bis es wieder trocken war. Aus diesem Grund bekommt Kind Nr.2 oft eine Wegwerfwindel in Ökoqualität, wenn wir draußen sind, weil ich da nicht permanent wickeln möchte.

Vorteile:

Das Kind kann klar kommunizieren, wann es mal muss und ich oder der Papa können darauf reagieren. Das Kind meckert und quietscht und wenn wir nicht reagieren, landet es eben in der Windel.

Wir haben viel weniger Windelwäsche.

Das Kind sitzt seit dem 12. Monat auf dem Töpfchen und benutzt es auch. Ein toller Pluspunkt daran war, dass auch das große Kind sich das beim kleinen Kind abgeguckt hat und mit zweieinhalb Jahren auch endlich weitestgehend trocken ist, teilweise auch nachts.

Somit hoffe ich, dass das lästige Wickeln und Windeln vorhalten in allerspätestens einem Jahr endgültig der Vergangenheit angehört. 😊

Am meisten geholfen hat mir diese Webseite: https://www.windelwissen.de/ – Abruf: 12.08.2020

Auf dieser Seite findet ihr einen Plan, wie das mit dem Abhalten etabliert wird, an den auch ich mich gehalten habe. Für mich hat es funktioniert, langes Recherchieren und Lesen hat mir da tatsächlich weniger geholfen. Irgendwann habe ich es einfach ausprobiert.

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