Hin und zurück mit dem Nachtzug: ein Erfahrungsbericht

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, meine Komfortzone zu verlassen. Nach langer Zeit ohne Verreisen wollten wir endlich zum ersten Mal Verwandtschaft in Wien besuchen. Da wir kaum Auto fahren können und aus Überzeugung nicht fliegen, blieb nur der Zug. Ohne mein Bett, ohne eigene Toilette auf der Rückfahrt, mit zwei kleinen Kindern in den schmalen Zugbetten – oh je, ich war mehr als skeptisch.

Gründe für den Nachtzug

Mit einem normalen Zug zu fahren, haben wir schnell ausgeschlossen. Acht Stunden lang die Kinder bei Laune halten, womöglich noch mit einer anderen Familie im Abteil oder gar im Großraumabteil – nein danke. Mit dem Nachtzug verbanden wir die Hoffnung, dass wir den Großteil der Fahrt einfach verschlafen. Wenn wir morgens am Zielort ankommen, sind wir ausgeruht und der Tag wird nicht für die Anreise vergeudet. Das war zumindest die optimistische Meinung meines Mannes.

Meine Familie vor der großen Fahrt.

Erfahrungsbericht Hinfahrt

Auf der Hinfahrt traf es sich gut, dass der Nachtzug zur Abendbrotszeit startete. Die Kinder waren wach, der Zug kam pünktlich und wir hatten ein Abteil mit Toilette. Es gab drei Betten übereinander und eine große Gepäckablage mit Rausfallschutznetz. Es war sehr eng, aber wir konnten uns gut arrangieren und das ganz normale Abendprogramm im rollenden Heim abspulen. Nach ein paar Diskussionen, welches Kind bei wem und auf welcher Etage schläft, sind die Kinder schnell eingeschlafen, wir Eltern sind auch weggedämmert, alles bestens.

Laut, schwankend, hell, eng

Irgendwann wollte ich dann aber auch richtig schlafen. Das Bad mit Dusche und Toilette war ein Segen, also ab ins Bett. Das Schuckeln hat kaum gestört, aber das häufige Tuten vor den unbeschrankten Bahnübergängen schon. Je weiter der Zug fuhr, desto schlechter wurden die Schienen. Es hat gerüttelt und gepoltert und da ich schon kurz gedöst hatte, blieb ich wach. Es war laut, ständig plätscherte irgendwo Wasser oder die Spülung aus den Abteilen nebenan rauschte und gurgelte.

Wenn der Zug um die Kurve fuhr, schwankte ich in alle vier Himmelsrichtungen oder hatte das Gefühl, kopfüber zu rutschen – aber ohne dass ich nach der Kurve wieder zurück rutschte. Dazu kam, dass die Lichter der Bahnhöfe sehr hell ins Abteil leuchteten. Die Jalousien komplett zu schließen, wäre aber auch nicht möglich gewesen, in vollkommener Finsternis kann ich nicht schlafen.

Schließlich bekam ich sogar Platzangst, von der ich nicht wusste, dass ich dazu neige. Aber in diesem warmen Abteil zu liegen, der Zug steht, alles ist dunkel – schrecklich. Ich habe mich dann mit dem Kopf in Richtung Fenster gelegt und es geöffnet, damit ein bisschen Luft reinkommt. Das war gegen zwei oder drei Uhr.

Die Kinder schauen aus dem Fenster. Nachts um 2 oder 3 Uhr.

Da wurden auch die Kinder putzmunter und wir standen sehr lange im Bahnhof von Bohumín. Vielleicht wurde da der Zug abgekoppelt? Ich weiß es nicht. Die Kinder haben interessiert einsame Reisende vom Nachtzug in die Gegenrichtung beobachtet, die auf dem Bahnsteig herumschlurften und die Züge fotografierten und ich war hundemüde und wollte einfach nur schlafen.

Die Kinder und der Mann sind schließlich wieder eingeschlafen, nur ich lag wach. Erst als der Zug wieder fuhr und die Lüftung wieder gearbeitet hat, wurde es etwas besser. Eingeschlafen bin ich trotzdem erst nach Ewigkeiten und war am Morgen vollkommen erledigt. Ich war froh, als wir endlich angekommen waren, zur Verwandtschaft fahren konnten und ich mir nach dem Frühstück die Haare waschen konnte. Das wollte ich im Zug nicht, obwohl es möglich gewesen wäre. Ein Mensch wurde ich erst wieder, nachdem ich Mittagsschlaf gemacht habe.

Erfahrungsbericht Rückfahrt

Vor der Rückfahrt habe ich mich sehr gegruselt, weil es erst um zehn Uhr abends von Wien Hauptbahnhof losgehen sollte. In weiser Voraussicht haben wir die Kinder alle Tage in Wien etwas später Mittagsschlaf machen lassen und sind auch spät schlafen gegangen. So hatten wir tatsächlich keine aufgedrehten und übermüdeten Kinder. Im Zug gab es noch ein Häppchen zur Nacht, Zähne putzen ging am Waschbecken und für das Geschäft hatten wir für die Kinder das Töpfchen mit, das auch vom großen Kind benutzt wurde. Vor der Zugtoilette haben sie sich ein bisschen gegruselt, obwohl alles sauber war. Ich habe mit dem kleineren Kind oben geschlafen. Da das oberste Bett aber nicht runtergeklappt war, konnten wir keinen Rausfallschutz befestigen. Das Kind lag also zwischen Wand und mir und ich habe mich schon in den Kurven durch das Abteil purzeln sehen.

Dann kann ich mich an nichts erinnern, außer dass ich gegen sechs Uhr morgens durch den Wecker geweckt wurde. Somit kann ich zu der Rückfahrt im Nachtzug beim besten Willen nicht sagen, weil ich einfach durchgeschlafen habe, genauso wie der Rest der Familie. Das Tuten an den Bahnübergängen, Rütteln und Poltern, das alles habe ich nicht gehört oder gespürt. Nicht einmal die längeren Aufenthalte in den Bahnhöfen habe ich gemerkt und da der Zug in die andere Richtung fuhr, waren wir offenbar abgewandt von den hell erleuchteten Bahnsteigen.

Auch an diesem Morgen wurde uns das Frühstück gebracht und in Frankfurt/Oder sind wir ausgestiegen, um mit dem Regionalzug nach Hause zu fahren. Das ging schneller, da der Nachtzug in Berlin Hauptbahnhof ankommen würde und der Regionalzug für uns günstiger hielt. Das hat auch alles problemlos geklappt. Sicher war ich nicht so frisch und ausgeruht, als wenn ich die ganze Nacht in meinem Bett geschlafen hätte, aber es ging mir viel besser als nach der ersten Fahrt.

Service und Frühstück

Die ÖBB hat in jedem Wagen einen Zugbegleiter oder eine Zugbegleiterin. Diese helfen, die Betten fertig zu machen und auch bei mittleren Katastrophen wie einer kaputten Zugtoilette oder einem verlorenen Nuckel waren sie hilfsbereit, freundlich und serviceorientiert. Die Züge waren sauber, wenn auch alt. Wir wurden zur gewünschten Zeit geweckt und uns wurde beim Aussteigen auch geholfen, die Kinder aus dem Zug zu heben, was ich sehr hilfreich fand.

Für das Frühstück kann man sich aus einer Speisekarte diverse Komponenten für das Frühstück zusammenstellen, wie Wurst und Käse auf Brötchen, Marmelade oder andere Aufstriche gab es auch, Jogurt, Bircher Müsli und verschiedene Getränke. Es war auf jeden Fall für uns ausreichend, die Qualität war ok, würde ich sagen. Den Kaffee kann ich nicht beurteilen, da ich keinen trinke. Die Kinder hingen begeistert an den Trinkpäckchen mit Orangensaft, da sie das von zu Hause nicht kennen.

Von der ÖBB gab es außerdem zwei Tüten mit Schlappen, damit man im Abteil gehen kann, Ohropax und eine kleine Tüte mit süßem Knabberzeug. Ich hätte noch eine Schlafmaske praktisch gefunden, da es auf der Hinfahrt so hell war. Ich habe mir damit beholfen, meine Haare über die Augen zu legen, aber das ist natürlich nicht für alle die Lösung. Für mich hat es funktioniert.

Fazit

Nach der ersten Fahrt mit dem Nachtzug hätte ich gesagt, dass das nur etwas für Hartgesottene sei, die immer und überall schlafen können. Nach der zweiten Fahrt denke ich, dass das eine tolle Möglichkeit ist, um auch mit Kindern längere Fahrten unkompliziert zurückzulegen. Ich bin sehr zufrieden, dass ich das endlich einmal ausprobiert habe und dass es so gut funktioniert hat, vor allem, weil ich ungern in fremden Betten schlafe. Ein Abteil mit Dusche und Toilette würde ich bevorzugen und wenn die Kinder größer werden, bräuchten wir wahrscheinlich zwei Abteile. Die Betten sind im Vergleich zum heimischen 2mx2m-Bett doch sehr schmal und mit Kind fand ich es doch sehr eng.

Ich persönlich würde diese Variante auch Familien mit Kindern empfehlen, zumindest bei uns hat das gut funktioniert. Wenn die Abendroutine eingehalten werden kann, fühlen sich die Kinder wohl. Wir werden zumindest sehr oft von den Kindern gefragt, wann wir wieder mit dem Nachtzug fahren. 🙂 Aber die nächste Reise bleibt innerhalb von Deutschland und daher leider ohne Nachtzug.